Allwetterreifen statt saisonale Wechsel: ist Höchstgeschwindigkeit zulässig?
Seit einigen Jahren schon gehört eine der Witterung angepasste Bereifung für deutsche Autofahrer zur Pflicht. Schon aus eigenem Interesse sollte vor allem bei Schnee und Eisglätte keinesfalls auf geeignete Pneus verzichtet werden. Vielleicht hat man sich auch schon über die hohen Kosten für den doppelten Satz Reifen geärgert und fragt sich deshalb: Sind Allwetterreifen eine Alternative?
Die Schwierigkeiten des saisonalen Reifenwechselns
Eigentlich sollten etwa ab Oktober Winterreifen aufgezogen werden, die bis Ostern am Fahrzeug verbleiben - womit die von Fachleuten empfohlene "O-O"-Regel zum saisonalen Reifenwechsel schnell erklärt wäre. Die Kosten dafür fallen insbesondere für Wenigfahrer aber entsprechend hoch aus: Ein Satz Reifen kann schnell die Tausend-Euro-Marke erreichen und auch überschreiten und muss auch bei Wenigfahrern nicht selten aus Altersgründen erneuert werden. Denn während die gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 mm erst nach einigen 10.000 km erreicht wird, können Alterungsrisse bereits einen vorzeitigen Austausch anmahnen. Je nach Nutzung und UV-Strahlung ist es möglich, dass diese Alterungsrisse bereits nach sechs Jahren auftreten. Wenn man ohnehin kaum bei schwieriger Witterung unterwegs ist, stellt sich die Frage, ob Allwetterreifen nicht ausreichen.
Was ein Winterreifen auszeichnet
Allwetterreifen werden häufig auch als Ganzjahresreifen bezeichnet, was den Einsatzzweck vollends erklärt. Es handelt sich gewissermaßen um einen Kompromiss aus Sommer- und Winterreifen, der das ganze Jahr hindurch für ausreichende Traktion sorgen soll. Prinzipiell gelingt dies überraschend gut, hinsichtlich der Gummimischung und Profilierung entsprechen die Allwetterreifen allerdings eher den Winterreifen. Letztere zeichnen sich üblicherweise dadurch aus, dass die besondere Zusammensetzung des Gummis auch bei geringen Temperaturen weniger verhärtet und demzufolge mehr Haftung bietet. Dazu ist es nicht einmal notwendig, dass Sie auf glatter Fahrbahn unterwegs sind - schon ab +7 °C haben Winterreifen mehr Grip. Das gröbere Profil mit größerem Negativanteil sorgt für bessere Haftung bei losem Untergrund. Sommerreifen bieten bei Wärme hingegen ein etwas besseres Fahrverhalten und die kürzeren Bremswege. Messungen zeigen hier, dass Allwetterreifen im direkten Vergleich unterlegen sind. Zudem sorgt das gröbere Profil auch für ein höheres Geräuschniveau.
Ganzjahresreifen auch mit hohem Geschwindigkeitsindex verfügbar
Hierbei handelt es sich allerdings um vertretbare Nachteile, die viele Fahrer in Anbetracht des niedrigeren Preisniveaus durchaus in Kauf nehmen würden - sofern hinsichtlich der Endgeschwindigkeit keine Abstriche gemacht werden müssen. Bei Winterreifen ist es nämlich durchaus üblich, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit unter jener der Maximalgeschwindigkeit des Pkws liegt. Prinzipiell ist es heute auch möglich, Winterreifen mit dem Geschwindigkeitsindex "V" (bis 240 km/h) zu erhalten. Dennoch werden hier häufiger Modelle bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 210 km/h (Index "H") gewählt, was nicht nur mit dem Preis, sondern insbesondere mit den Fahreigenschaften zusammenhängt. Die besonderen Erfordernisse eines Winterreifens sorgen für ein gewisses "Walken" des Reifens, worunter eine Eigenbewegung des Profils verstanden wird. Dadurch kommt es zu einer nicht unproblematischen Erwärmung - weshalb bei Winterreifen der Kategorie V Abstriche gemacht werden müssen, was sich auf winterlicher Fahrbahn zeigen kann. Ähnliche Ergebnisse sind auch bei Allwetterreifen zu erwarten, die ebenso mit dem Geschwindigkeitsindex V und H erhältlich sind. Wenn man also auf Hochgeschwindigkeitsfahrten verzichten kann, sollte man zum Reifen mit der niedrigeren maximalen Geschwindigkeit greifen.
Experten sehen Allwetterreifen als Kompromiss
Die Frage, ob Allwetterreifen besser als Sommer- oder Winterreifen sind, lässt sich auf diese Weise nicht pauschal klären. Auch die Fachleute von tyre-pool.de weisen auf den Kompromiss, welchen Allwetterreifen nur darstellen können hin, geben allerdings zu bedenken, dass starke Schneefälle nur in wenigen Regionen Deutschlands regelmäßig zu erwarten sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies also, dass Ganzjahresreifen in technischer Hinsicht durchaus mit Nachteilen verbunden sind, diese Nachteile sich in der Praxis aber nur äußerst selten auswirken.
Individuelle Qualitäten der Reifen entscheidend
Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen sind ohnehin keine Schwierigkeiten erwarten, denn vorgeschrieben ist lediglich ein "M+S"-Symbol (Matsch+Schnee), welches auch auf sämtlichen Winterreifen zu finden ist. Die Kostenvorteile der Allwetterreifen liegen allerdings nicht nur darin, dass lediglich ein paar Reifen angeschafft werden muss. Auch die Werkstatt Kosten für den zweimal pro Jahr anfallenden Wechsel sowie mögliche Gebühren für die Lagerung müssen nicht getragen werden. Dabei lohnt es sich, zumindest einen Teil dieser Summe in hochwertiger Reifen zu investieren. Die Auswahl des optimalen Pneus fällt dabei besonders leicht, seitdem die Europäische Union im Jahr 2012 das Reifenlabel eingeführt hat. In Kategorien von A bis G werden sowohl die Effizienz wie auch der Bremsweg bei einer Nassbremsung beurteilt. In Verbindung mit dem Vorbeifahrgeräusch kann man sich anhand dieser drei Kriterien ein Bild vom Reifen machen. Hier zeigt sich schnell, dass eine Mehrausgabe sich durchaus lohnen kann, denn zwischen Effizienzklasse A und B ist ein Verbrauchsunterschied von bis zu 0,1 l auf 100 km Fahrstrecke zulässig - wem dies wichtig erscheint. Bei einer angenommenen Lebensdauer von 30.000 km entspricht dies immerhin einer Differenz von 30 l.
Fazit: eine Frage des Fahrprofils
So zeigt sich am Ende: Ob Ganzjahresreifen eine Alternative zum saisonalen Reifenwechsel darstellen, ist eine ganz individuelle Frage. Steht die Fahrdynamik im Vordergrund und wird häufig auf verschneiten Fahrbahnen gefahren, ist der Wechsel von Sommer- und Winterreifen noch alternativlos. Wenn man nur selten bei Glätte unterwegs ist, kann man durch den Allwetterreifen Geld sparen - und auf den zeitraubenden Wechsel verzichten.
Bild: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Comments 10
Joe279
Ich habe Allwetterreifen von Pirelli auf meinem ML 350 Baujahr 2006. Da ich im flachen Osten Österreichs wohne, kein Problem. Sie halten ca. 20.000 km und bis 240 km/h zugelassen. Aber sie sind ein Kompromiss und reinen Sommer- und Winterreifen unterlegen. Daher würde ich diese nie auf einen Porsche montieren. Ein aktiv gefahrenes Fahrzeug braucht von jeder Eigenschaft des Reiens das Beste. Beim Bremsen, bei Regen, aber auch bei Schnee oder Glatteis. Und die Kosten können bei einem 100.000+ Euro teuren Auto hoffentlich keine Rolle spielen.
Liebe Grüße Josef
Fahrerlebnis Schalter
Dass die "7° Regel" hier auftaucht hat mich sehr amüsiert. Geboren in den frühen 70'ern und bereits kurze Zeit später objektiv widerlegt, hält sie sich ebenso hartnäckig wie das "Gespannstabilisieren durch Strecken mittels ordentlichem Gasgeben".
Moderne Sommerreifen haben auch bei weit unter 0° und trockener Fahrbahn noch die kürzeren Bremswege. Bei Nässe sind Sommerreifen ebenso überlegen.
Ich wette, ich lese auch in 10 Jahren noch von der "7° Regel".
Uwe.
Hallo erstmal,
Ich benötige pro Saison einen Satz Reifen.
Im Winter fahr ich entsprechende Pneus bis 240 Km/h
Ein bisschen Spaß muss sein,
Wer natürlich nur im Winter zum Bäcker fährt benötigt nach meiner Auffassung keine Winterreifen.
Da reichen auch Ganzjahresreifen nach meiner Auffassung.
Bestens
Uwe
Stayman
Habe auf einem alten Fiesta mal Allwetterreifen gehabt, da hats mir im Winter den Hintern weggerissen - beim Fronttriebler. Da waren sie schnell ausgetauscht. AWR sind meiner Meinung nach weder für Sportwagen noch für wirklichen Winter geeignet. Die gesparten Kosten und die Bequemlichkeit des wegfallenden Reifenwechsels bezahlt man mit schlechterer Performance und Kompromissen im Winter.
Holger_Berlin
Ich frage sicher keinen Schuhverköufer nach der Eignung eines KFZ Reifens, sondern verlasse mich halbwegs auf ( die aktuellen ) Testberichte. Nicht auf Vorurteile oder überholte Tests von 2015. Wer mit Fakten nicht klar kommt, sollte sachlichen Diskussionen einfach fernbleiben.
paulgeorg
Auf die Sportgeräte gehören die richtigen Reifen! Wenn einer mit dem 11er im Winter fährt, sollte er sich die optimalen Winterreifen leisten können (und den Aufwand). Ähnlich bei den Panameras. Beim SUV sieht es anders aus. Die gehen zwar auch gut, aber es ist so als wenn ich im Wintermantel einen 100 Meter Sprint hinlegen soll. Geht, macht aber wenig Sinn. Da könnte ich mir schon AllwetterR. vorstellen. Hinzu kommt dann allerdings das "Italien" Problem. Es kostet richtig Geld, dort im Sommer mit Winterreifen aufzufallen. Für SUV Fahrer aus dem Süden der Republik ein Thema!
minime911
Fragt mal den Schuhverkäufer nach Allwetterschuhen, die genauso für den Strandurlaub im Sommer als auch für den Ausflug auf den Weihnachtsmarkt taugen. Auch das ist nur bedingt machbar. Die Reifen sind die Schuhe des Autos und dabei gibt es an sich noch nicht einmal was zu sparen, ausser vielleicht aus praktischen Gründen ein Satz Winterfelgen und ein paar verlorenen Stunden Montage Wartezeit. Wer sich keine Winterreifen leisten kann soll über andere Fortbewegungsmittel nachdenken oder unter gegebenen Bedingungen auf sein Auto verzichten anstatt sich auf zweifelhaften Ersatz zu verlassen. Es sind ja dann auch oft die Fahrer die wegen ihrer geringen Kilometerleistung auf vollwertige Winterreifen verzichten, welche dann auch noch durch mangelnde Erfahrung unsicher unterwegs sind.
Holger_Berlin
Einige Ansichten sind wohl stark überholt. Gerade die Tests von 2017 zeigen, wo es bei Ganzjahresreifen hingeht. Auf einen Sportwagen mögen sie nicht gehören, und wer in den Bergen wohnt, braucht auch nicht drüber nachdenken, aber ein Großstadtbewohner kommt damit sicher ohne große Abstriche klar. Halbschuhvergleiche sind albern.
wurstsalat
Gibt so Leute für die ein "Ganzjahresreifen" passt. Wer nur cruist und die Performance vom Spezialisten nicht braucht ... Wer auf kaltem oder heissem Untergrund mit höchster Vorsicht agieren mag, wer sonst auch bei Schnee und -10° mit Halbschuhen unterwegs ist und am Strand bei 30° aber auch mit denselben Halbschuhen läuft, oder mit densselben Halbschuhen im Meer tauchen geht, für den passt auch ein "Ganzjahresreifen".
mamuehei
Ich weiss nicht so recht ... ich denke ein Sommerreifen "kann" besser "Sommer" und ein Winterreifen "kann" besser "Winter" als es der Allwetterreifen das ganze Jahr tut. Das ergibt sich m.E. schon daraus, dass er um das eine oder andere der anderen Disziplin zu "können" Kompromisse eingehen muss. Da der Reifen die Schnittstelle zur Strasse bildet sollte man doch an der Stelle nicht sparen ... Lieschen Müller auf Fiat Panda, wohnt in der Stadt und fährt 5000 km/Jahr. Da macht ein Allwetterreifen vielleicht Sinn.