Wohl kaum jemand, der sich für die Marke Porsche, deren Modelle und ihre Historie interessiert, kennt sie nicht: Die furchtbaren Bilder des völlig zerstörten Porsche 550 Spyder von James Dean. Seitdem dürfte sein Name untrennbar und auf alle Zeit mit diesem Modell verbunden bleiben.
Es ist inzwischen über 60 Jahre her. Doch was war das damals für eine Zeit, in der CO2-Werte, Benzinpreise und Themen wie alternative Antriebe und Feinstaubproblematik einfach keine Themen waren? Das Fahren und Besitzen eines Automobils bedeutete Freiheit und Abenteuer – oder etwa nicht?
pff.de/wcf/attachment/333369/Gelegenheiten Menschen aus dieser Epoche zu ihren Erlebnissen zu befragen werden zunehmend rar. Gelegenheiten Menschen aus dieser Epoche zu befragen, die sich für Porsche und Rennsport interessieren, dürfte für die meisten von uns gegen Null tendieren.
Wir hatten genau diese Chance - und wir haben sie beim Schaltknüppel gepackt!
Ladies and Gentlemen, es freut mich außerordentlich ihnen Mister Lew Bracker in der PFF Boxengasse präsentieren zu dürfen!
Er war ein Porsche-Rennfahrer der ersten Stunde und hinter dem Steuer ein Meister seines Fachs. Seine Erfolge auf der Rennstrecke für Porsche waren einer der Grundsteine für eine heutzutage nahezu endlos anmutende Erfolgsgeschichte im Motorsport. Seine Passion für die Sportwagenschmiede aus Zuffenhausen teilte er mit einem ganz besonderen Menschen, seinem besten Freund James Dean. Seine Erlebnisse mit dem Hollywoodstar auf und abseits der Rennstrecke hat er in seinem Bestseller „Jimmy & Me“ niedergeschrieben.
PFF: Guten Tag Herr Bracker. Es ist mir eine große Ehre Sie hier in der PFF-Boxengasse begrüßen zu dürfen. Zunächst mal ein großer Dank an Sie, dass Sie unseren Lesern und mir Rede und Antwort stehen.
Sagen Sie mal, wie war das damals in der 50ern, auf öffentlichen Straßen völlige Narrenfreiheit zu genießen und Rennen zu fahren. Ohne Radar oder jegliche Limitierungen? Keine Anschnallgurte oder ABS... läuft Ihnen noch ab und an eine Träne über die Wangen, bei Erinnerungen an Autofahrten, wo der Sensenmann ein permanenter Beifahrer war? War das echte Freiheit für Sie?
Lew Bracker: In den fünfziger Jahren gab es nur bei professionellen Rennen eine Anschnallpflicht. In meinem Carrera hatte ich daher ein Pilotenanschnallsystem aus einem Flugzeug verbaut. In Los Angeles selber gab es zu dieser Zeit kaum Verkehr auf den Straßen, man konnte also bedenkenlos etwas „Spaß“ mit seinem Porsche haben, vor allem auf dem kurvigen Mullholland Drive entlang der Hollywood Hills.
pff.de/wcf/attachment/333371/Anders als viele denken, waren Jimmy (Dean) und ich allerdings nicht so verrückt und haben unser Leben aufs Spiel gesetzt! Ich weiß nicht, ob ich es damals als „echte Freiheit“ empfunden habe, aber definitiv habe ich eine Menge Freude darüber empfunden, dass mein Porsche quasi in jeder Situation auf der Straße „geklebt“ hat.
PFF: Wie haben Sie gelernt Rennwagen zu fahren? Wer waren ihre Vorbilder und inwiefern hat sich Ihre Fahrweise von der von James Dean unterschieden?
LB: Meiner Meinung nach kann man nicht theoretisch beigebracht bekommen, wie man schneller als die Konkurrenz fährt und Rennen gewinnt. Entweder du entwickelst die notwendigen Fähigkeiten beim Fahren automatisch oder nicht.
Gefühl, Tiefenwahrnehmung, Hand-Auge-Koordination - im Grunde genommen sind es doch genau diese Eigenschaften, welche den Unterschied zwischen den Top-Fahrern ausmachen.Ich habe mich mit meinem Fahrstil immer an Juan Manuel Fangio orientiert, der Mitte der fünfziger Jahre Formel 1-Weltmeister war: Fahre so geschmeidig und schnell wie möglich!
Die perfekte Linie durch die Kurve ist der Schlüssel zum Erfolg! Jimmy war mehr wie Sterling Moss, die damalige Nummer zwei, der hat die Wagen ganz schön hart rangenommen!
PFF: Was hat es eigentlich mit dem Spitznamen "Little Bastard" auf sich?
LB: Die Bezeichnung „Little Bastard“ kam von den gegnerischen Rennfahrern, die durchgehend besser motorisierte, aber auch größere und schwerere Wagen gefahren haben. Nachdem sie mehrmals von dem kleineren Porsche geschlagen worden sind, nannten sie ihn „Little Bastard“.
PFF: Neben James Dean war auch Paul Newman bekannt dafür ein Freund des "sich zügigen Fortbewegens" zu sein. Er gehörte 1979 in Le Mans sogar zu dem Team, das auf Platz zwei fuhr. Sind Sie Paul Newman, ebenfalls ein Hollywood-Superstar, jemals begegnet und konnte mit ihm fachsimpeln?
LB: Also bitte, Paul Newman war kein echter Rennfahrer! Meiner Meinung nach war er einfach ein Promi, der nochmal etwas von seiner Wunschliste streichen wollte, bevor er stirbt. Als er das erste Mal ein Rennen gefahren ist, war er schon viel zu alt. Wenn er in Le Mans tatsächlich als offizieller Fahrer geführt worden ist, war es eine reine Gefälligkeit und nicht aufgrund seiner fahrerischen Leistungen.
pff.de/wcf/attachment/333372/PPF: Oh, das hätte ich jetzt so nicht erwartet. Interessant.
Haben Sie denn den Großvater des Porsche 987 Spyder, den 550, in ihrer Garage?
LB: Ich habe in meiner aktiven Zeit verschiedene Porsche Modelle besessen. Mein erster Porsche war ein 356 1500. Mit ihm habe ich meine erste Erfahrung gesammelt. 1955, als Jimmy sich den neuen 550 Spyder gekauft hat, habe ich ihm seinen 356 Super abgekauft. Mit dem 550 Spyder habe ich an diversen Rennen teilgenommen, ich habe aber nie einen eigenen besessen.
PFF: Inwiefern haben sich der 356 und der 550 Spyder auf der Rennstrecke unterschieden, was die Themen Handling und Beschleunigung angeht? War der Spyder unberechenbarer?
LB: Um ehrlich zu sein, habe ich den 356 Speedster, den 356 Carrera und den 550 Spyder mit der selben Technik gefahren. Natürlich musste ich meine Fahrweise aufgrund des abweichenden Gewichts und der unterschiedlichen Motorisierung der Autos etwas anpassen, aber mein Ansatz Rennen zu fahren hat sich im Grunde genommen nie verändert: Die perfekte Linie durch die Kurven finden, im richtigen Moment bremsen und schalten und stets die Gewichtsverteilung der heckgetriebenen Modelle bestmöglich ausnutzen.
PFF: Wie unterschied sich denn der speziell für Sie gebaute Carrera von den Serienmodellen? Gab es große Unterschiede? Was war neben der außergewöhnlichen Farbe die "Wunschausstattung"? Existiert der Wagen eigentlich noch?
pff.de/wcf/attachment/333373/LB: Der 356 Carrera war bei seiner Einführung in den Vereinigten Staaten zunächst ein Flop, daraus resultierte auch die zwingende Notwendigkeit endlich Rennen mit dem Wagen zu gewinnen, um für positive Publicity zu sorgen.
Im Vergleich zum 550 Spyder, der von Porsche rein für die Rennstrecke konstruiert wurde, unterlag der 356 aufgrund der Massenproduktion allerdings restriktiven Fertigungsvorgaben. Wir konnten meinen Wagen also nicht beliebig modifizieren und verbessern. Wir haben uns deshalb auf viele Kleinigkeiten konzentriert, die im Ergebnis aber einen großen Effekt auf die Leistung des Wagens hatten.
Zum Beispiel haben wir die den Standardvergaser gegen einen Weber-Vergaser ausgetauscht, da diese einfach am effizientesten waren. Außerdem haben wir die Zylinderkopfdichtungen optimiert. Geringfügigkeiten, die letztendlich den Unterschied gemacht haben.
PFF: Wie war eigentlich die Reaktion der Konkurrenz auf das plötzliche Erstarken einer bislang mäßig bekannten Automarke aus Übersee und welche anderen Automarken machten Ihnen und dem 356 das Leben auf dem Track zur Hölle?
LB: Nun, ganz so unbekannt waren die Porsche Modelle auf den amerikanischen Rennstrecken zu dieser Zeit nicht. Schon die frühen 356 Speedster, vor allem die 1500 Super, haben die damaligen Platzhirsche von MG, Triumph, Austin-Healey oder Alfa in der Klasse unter 1500cc am laufenden Band geschlagen. Jimmys und mein Ziel war es bei jedem Rennen die Wagen mit den größeren Maschinen, vor allem die Jaguars und Healey 100’s zu besiegen - und oftmals ist uns das auch gelungen!
PFF: Wir sind ja bereits auf das Thema „Fahren“ eingegangen, doch was macht Ihrer Ansicht nach einen guten Autofahrer aus? Was glauben Sie macht einen (sportlichen) "Fahrstil" aus? Sind Sie der Ansicht, dass sich das im Laufe der Zeit gewandelt hat?
LB: Wie bereits erwähnt bin ich der Meinung, dass gute Fahrer zunächst einmal ein angeborenes Talent haben. Nennt es Instinkt oder Gefühl, es sind diese nicht greifbaren Sachen zusammen mit einigen motorischen Fähigkeiten,wie Hand-Auge-Koordination, die einen erfolgreichen Rennfahrer ausmachen. Ich bezweifle, dass diese notwendigen Eigenschaften sich jemals geändert haben oder ändern werden. Sportwagen verändern sich ständig, aber die Kunst des Fahrens nicht.
PFF: Ist Porsche für Sie noch immer ein Traumsportwagen oder ist ihnen die Marke inzwischen zu verweichlicht?
pff.de/wcf/attachment/333374/LB: Porsche baut tolle Autos, das ist ein Fakt. Natürlich haben sie ihr Angebot im Bereich Luxusautomobile erweitert, weil die Nachfrage hierfür einfach da ist, aber sie bauen weiterhin beeindruckende Sportwagen. Wer Autos mag, liebt Porsche!
PFF: Das werden die meisten Leser und User des PFF sicher bestätigen können. Welchen Porsche fahren Sie denn aktuell?
LB: Ich bin mittlerweile 88 Jahre alt und habe schon vor einiger Zeit aufgehört meine Jugend künstlich durch das Fahren von auffälligen Sportwagen zu verlängern. Ich lebe in Palm Springs, hier muss sich wirklich niemand irgendwo in Eile hin bewegen. Ich fahre deshalb einfach kaum noch Auto.
PFF: Klingt sehr vernünftig.
LB: Eine Sache wird sich allerdings nie verändern: Wenn ich hier auf der Straße einen Porsche sehe, muss ich ihm einfach etwas nostalgisch hinterher schauen!
Wenn ich heute auf meine aktive Rennfahrerkarriere zurückschaue, denke ich, dass ich damals das Maximale aus meinen Fähigkeiten herausgeholt habe und ich bin stolz, dass ich mich auch dank des tollen Porsche Carrera unter den besten Rennfahrern in Kalifornien einreihen konnte. Ich habe diese einmalige Zeit genossen: die Spannung vor den Rennen, den Trubel in der Boxengasse, den intensiven Wettbewerb mit den anderen Fahrern – für nichts in der Welt hätte ich darauf verzichten wollen!
PFF: Würden Sie die Schaffung einer Porsche-Sonderedition "James Dean" unterstützen? Eventuell gemeinsam mit dem PFF. Porsche liest hier ja seit kurzem offiziell mit.
LB: Natürlich würde ich es lieben, eine Special Edition zu Ehren meines besten Kumpels James Dean zu sehen. In der kurzen Zeit, die ihm vergönnt war, hat er es definitiv geschafft die Marke Porsche in Kalifornien bekannt zu machen - und das ist immerhin der größte Automarkt in den Vereinten Staaten!
PFF: Na das wäre in der Tat eine tolle Aktion – vielleicht wird sie doch irgendwann mal Wirklichkeit. Lieber Herr Bracker – ich danke ihnen sehr für das interessante und informative Gespräch und darf ihnen, sicher auch im Namen der PFF-User, alles Gute und noch lange Zeit beste Gesundheit nach Palm Springs senden.
pff.de/wcf/attachment/333368/Hiermit auch ein dickes „Dankeschön“ an Sven Rueddigkeit, der Lew Bracker in Europa repräsentiert. Sven hat den Kontakt zu Herrn Bracker hergestellt, mich sehr tatkräftig unterstützt und war somit maßgeblich am Entstehen dieser interessanten Unterhaltung beteiligt. Thanks Dude!
Der Gewinner des von Lew Bracker signierten Exemplars von „Jimmy & Me“ ist Caspar 944. Viel Spaß mit dem Buch!
Interview: hOREXkiLLa
Fotos: Lew Bracker und Allen R Kuhn (vintage-sportscar-photos)
Comments 7
Scili
Danke, dass Du meine Frage an erster Stelle plaziert hast @hOREXKiLLa
Irgendwie fühlt es sich so an, als wenn man passiv-live dabei gewesen wär. Ehrt mich sehr!
hOREXKiLLa Author
halte dieses interview für ein gelungenes beispiel dafür, wie wir quasi alle gemeinsam unsere gäste befragen können - das war ja die idee der boxengasse
euch allen ein dankeschön!
Der Zeuge
Idee für die Porsche-Sonderedition "James Dean"
finde ich prima, würde sich bei einem kommenden Ur-Ur Enkel des 550 gut machen,
dem nächsten Spyder so er denn einen Sauger B6 mit 4,0L bekommt.
martini72
gutes interview, danke!
hOREXKiLLa Author
lew und sven sei dank ...
altwiiler
WOW!
BE560
Cool, würde der Ami sagen
benzino
Schönes Interview mit einer für mich überraschenden Antwort:"little bastard" bezog sich also auf den Wagen selber. Steht in wikipedia ganz anders!
hOREXKiLLa Author
danke
.. herr kavka würd' sagen: hamma wieder was gelernt 
hOREXKiLLa Author
Lew Bracker, ein äusserst sympathischer Mann, der viel zu berichten weiss.
Das Interview mit ihm - ein MUSS für jeden Freund des Porsche-Motorsports ;-)!
obersturm
Toll gemacht und interessant zu lesen!!!
Den Satz: "Außerdem haben wir alle Motoranschlüsse so angepasst, dass sie exakt auf die Zylinderkopfdichtungen passten."versteh ich aber nicht?
Ist das ein Uebersetzungsfehler? Nehme mal an du hast mit ihm auf English geplaudert?
Was hat er denn auf english genau gesagt?
hOREXKiLLa Author
hmmm. ja, wir haben das natürlich englisch gemacht. sven und ich sind beide keine technik-experten - wird gecheckt - danke für den hinweis!