Reifen-Service ohne Ahnung

  • ... und/oder Lust. Es gibt hier Reifen-Services wie Sand am Meer und ich habe mir eine ganze Reihe angesehen. Niemand hat Ahnung von diesem Job, obwohl es ja nicht sonderlich viel zu wissen/beachten gibt.


    Mein Nachbar hat ja zufälligerweise einen mobilen Reifen-Service; er hat mir allerdings freundschaftlich davon abgeraten, meine Reifen von ihm wechseln zu lassen, da seine Maschine im Van schon älter ist und er kann nicht garantieren, daß er mir damit die Felgen nicht verkratzt. Aber er hat mir eine "gute Adresse" empflohen. Die hatte mir dann auch noch der Sohn eines anderen Nachbarn empfohlen, der dort mal gejobbt hatte. Er sagte die machen auch viele Lambos etc


    Es gibt da zwei Dinge die mir wichtig sind: zum einen sollte der Typ die alte Pampe mit einer Drahtbürste vom Felgenrand entfernen bevor er neue drauf schmiert, damit es richtig dichtet und man keinen schleichenden Druckverlust bekommt - leider Fehlanzeige.

    Und natürlich halte ich nichts von diesen Air-Tools, mit denen die Bolzen willenlos festgeknallt werden, als gäbe es kein Morgen. Ich hatte mir dort den Wechsel an der Karre vor meiner angesehen - nix Drehmomentschlüssel. Also habe ich den Mitarbeiter extra darum gebeten. Hat er auch gemacht.. naja: Er hat erst mit dem Air-Tool festgeballert und ist danach symbolisch mit dem Schlüssel ran - aber der hat sofort geklickt, ohne das er die Bolzen weiter angezogen hätte. Daher hatte ich dann gleich auf dem nächsten Parkplatz die Bolzen gelöst und selbst mit 160 angezogen. So wie ich meine braker bar kenne, waren das viel mehr als 200 Nm...


    Und auch sonst war alles Müll: er hat die alten Wuchtgewichte mit einem Schraubenzieher abgepuhlt und ich will da auch gar nicht suuuper pingelig sein, diese Jungs haben ihr Handwerk ja nicht im Porzellanladen gelernt, aber leider hat er ganz großzügig bis zu 20 cm abseits der Gewichte Kratzer hinterlassen, weil's ihn anscheinend einen Sch**ß kümmert.


    Meine farblich passenden Ventilkappen mußte ich auch aus der Mülltonne zurückfordern; die Kontaktflächen Felge zu Radnabe hatte ich auch selbst von Korrosion per Scotch-Schwamm entfernt, während er mit Wuchten beschäftigt war, weil das bei denen nicht auf dem Programm steht.


    Und was kann man sonst noch verpfuschen? Richtig, den Luftdruck :) Also, er war nicht zu blöd, da 33 psi rein zu quetschen. Sehr gut gemacht... aber leider ließ er sich nicht davon abhalten, mir als Service des Hauses den Druck rundum zu richten. Gestern war es allerdings ziemlich warm hier und außerdem hatte ich direkt vor dem Service noch eine letzte Hinterland-Tour auf den alten Reifen absolviert - die waren also (vorne) viel zu warm und hatten somit heute morgen nahe 20C viel zu wenig Druck.


    Und ich bin immer noch nicht ganz fertig hier den alten Mecker-Opa zu mimen, denn ich hatte ihm noch einen passenden Gummiblock für seinen eher weniger passenenden Wagenheber abgeboten - sowas braucht er aber nicht :)


    Und keiner von diesen kleinen Mist-Läden arbeitet besser... vielleicht zahle ich Porsche beim nächsten Mal doch 100 Pfund mehr pro Rad - da verschwindet das Auto dann in der Werkstatt während ich Kaffee trinke und ich kann mir wenigstens einbilden, daß es ordentlich gemacht wird.


    Es wurde also umfänglich alles ignoriert oder falsch gemacht, was es in Verbindung mit diesem doch recht überschaubaren Job zu tun gibt.


    PS: Bonus-F*ck up: Leider auch keine Anti-Haft-Pampe auf die Nabe bekommen, da kann ich mir das nächste mal wieder die Hacken wund treten, bis das Rad runter kommt... :)

  • .....

    ... zum einen sollte der Typ die alte Pampe mit einer Drahtbürste vom Felgenrand entfernen bevor er neue drauf schmiert, damit es richtig dichtet und man keinen schleichenden Druckverlust bekommt - leider Fehlanzeige.

    Ernst gemeint? :eek: mit einer Drahtbürste?

    Wenn sich einer bei mir erdreisten würde, oha .....


    Rolf

  • Also, ich hatte mir bei der Youtube-Universität angesehen wie das gemacht wird und der geht jedenfalls mit einem Bürstenaufsatz auf der 'Bohrmaschiene' einmal um den Rand. Vielleicht war es ein normaler Aufsatz, vielleicht weicher Draht... weiß ich so nicht. Jedenfalls sollte das gereinigt werden.

  • Ich nehme die Räder zum Wechsel immer selber ab. Ventildeckel und Nabendeckel werden abgenommen und bleiben zuhause. Die Gewichte nehme ich selber ab. So gehen die Räder zum Reifendienst. Während des Wechsels habe ich genügend Zeit, mich um den Zustand von Bremse und Aufhängung zu kümmern und alles samt Auflagepunkte zu säubern. Bevor die neu besohlten Räder wieder drauf kommen, wird noch das innere Felgenbett gesäubert und versiegelt. Luftdruck wieder auf Norm bringen, richtiges Anzugmoment und fertig. Ich fühle mich einfach wohler, gerade bei den Rädern. Der Sicherheit zuliebe sollte alles stimmen.

    Weiss ist das schönere Schwarz
    Gery
    ---------------
    Warum soll ich zu Fuss gehen, ich habe doch 4 gesunde Reifen.

  • Die Aufstellung ist ganz nett, wiederspiegelt allerdings den Normalzustand. Einen Reifenwechsel muss man als erfolgreich bezeichnen, wenn die Felge danach noch rund ist, der Reifen richtigrum montiert und aufgeblasen wurde, die Räder mehr oder weniger ausgewuchtet wurden und an der richtigen Stelle am Auto montiert wurden. Mehr gibt es nicht zu erwarten!


    Wie man es richtig machen würde mag ich hier nicht im Detail auflisten, ein paar Punkte aber schon.


    • Nicht zu viel Montagepaste verwenden. Die Paste braucht eine gewisse Zeit um zu trocknen, so dass der Reifen sich beim Bremsen nicht mehr auf der Felge drehen kann. Wenn nun grosszügig Paste raufgeklatscht wird, auf Felge und Wulst, braucht die Paste einfach deutlich länger zum Trocknen. Hinzu kommt, dass viele Montagepasten Wasser drin haben, Feuchtigkeit, die sich im Reifen befindet. Wird der Reifen warm, steigt der Druck. Das weiss mittlerweile fast jeder (im Dunstkreis Porsche). Durch erhöhten Feuchtegehalt der Luft steigt der Reifendruck deutlich stärker an.
      Die Verwendung von Stickstoff in den Reifen im Rennsport ist an sich nur darauf zurückzuführen, dass der Flaschenstickstoff sehr trocken ist und sehr kompakt verfügbar ist (200bar Flaschen). Damit hat man in der Tat geringere Druckveränderungen von kalt zu heiss.
    • Die Auswuchtmaschinen arbeiten mit unterschiedlichen, aber einstellbaren Toleranzen. Nur weil auf dem Display 0 steht, heisst das noch lange nicht, dass der Reifen wirklich gut ausgewuchtet ist. Üblicherweise sind die Toleranzen 0g, 5g, 10g. Innerhalb von +/-5g gewuchtet ist meist ok, wobei man 5g schon bemerken kann.
    • Das Anknallen der Radschrauben mit dem Schlagschrauber kann durchaus funktionieren. Zum einen kann man die Schlagstärke und so das Anzugsmoment so einstellen, dass die Schrauben nicht zu stark angezogen werden (ob das im Einzelfall gemacht wird ...?). Es gibt auch spezielle Verlängerungen, die das Anzugsmoment durch Torsionsspannung recht gut hinbekommen (sind dünner als normal und meist farblich markiert). Dennoch sollte am Schluss mit einem Drehmomentschlüssel nachgezogen werden.
    • Reifendruckmanometer haben Toleranzen an der Uhr. Will man den Druck immer gleich haben, muss man auch immer mit dem gleichen Manometer messen. Dabei sollte der Reifen auch immer in etwa die gleiche Temperatur haben. So misst man den Druck am Besten vor dem Losfahren, idealerweise in der Garage.
      Der Reifendruck verhält sich eigentlich linear zur Temperatur der Luft im Reifen, wäre da nicht die Feuchtigkeit in der Luft. So wäre der Druckanstieg von 20° auf 60° nur 0.15bar, das sieht aber je nach Restfeuchte im Reifen ganz anders aus.

    Die ganzen anderen handwerklichen Unzulänglichkeiten der Monteure mag ich gar nicht auflisten, es ist vielleicht auch besser so, sonst bringt niemand mehr seine Reifen zum Reifenfuzzi um die Ecke...


    Greetz

    Nach 320'000 Spiegeleiern kann die Kantine nicht so schlecht gewesen sein!
    Harm Lagaay


    PS: Ich heisse nicht Greetz k:thinking:

  • Tolschok


    Die Reinigung mit der Drahtbürste mal ausser Acht lassend sprichst Du mir aus der Seele. Selbst in sogenannten Fachbetrieben scheint es jede Menge hirnlos arbeitender Monteure zu geben. Erst die Räder mit Druckluftschlagschraubern anknallen was das Zeug hält, dann - auf Verlangen, aber eben nur zur Alibiübung - noch den Drehmomentschlüssel bemühen. Alleine bei diesem wirklich sehr einfachen Arbeitsschritt sind regelmässig grobe Unterlassungen bzw. Fehler zu beobachten:

    1. kein Einstellen des empfohlenen Anzugsdrehmomentes am Drehmomentschlüssel

    2. kein langsames Anziehen der Schrauben genau bis zum Knacken sondern mit voller Kraft weit über das Knacken hinaus noch 20 - 40 Winkelgrade mehr anziehen. Erst vor wenigen Monaten musste ich zum Lösen von in einer Fachwerkstätte montierten Reifen einen Radkreuzschlüssel mit einem langen Stahlrohr verlängern, weil ohne dies die Kraft schlicht nicht ausreichte. Und die Montage lag hier nur um wenige Stunden und km zurück.


    Apropos Luftdruck: in 30 Jahren habe ich genau einmal erlebt, dass dieser gemäss Herstellerempfehlung eingestellt war (war in einem PZ!).

    Was Du noch ganz vergessen hast, aber doch ein echter Klassiker ist: die Stecknüsse werden ohne Rücksicht auf Verluste in die Vertiefungen der Felge fast reingeschlagen. Lackabsplitterungen und beginnende Korrosion sind dann die logische Folge.


    Ich habe beschlossen, Reifenwechsel bei meinem Spyder nur noch im PZ nach vorheriger Besichtigung von Felgenzustand durchführen zu lassen. Beim daily-driver schraubt mir niemand mehr Reifen an das Fahrzeug.


    Gruss, Jürgen

    But no matter how good a turbo engine is, it can never have the pure response of a naturally aspirated engine. This is the reason I bought a Boxster Spyder, because engines like this won't be made anymore. (Walter Röhrl)


    1/2003 - 4/2016 986 S
    3/2016 981 Spyder

  • Apropos Luftdruck: in 30 Jahren habe ich genau einmal erlebt, dass dieser gemäss Herstellerempfehlung eingestellt war (war in einem PZ!).

    Jürgen, das kann ja garnicht. Das Rad wird noch auf der Maschine aufgepumpt, bis der Reifen aufs Felgenhorn schnappt. Und dann wird irgendein Ungefährdruck eingestellt. Ich habe noch nie gesehen, dass beim Reifenhändler der Druck nochmals kontrolliert wurde, nachdem das Fahrzeug wieder auf allen Vieren steht.

    Weiss ist das schönere Schwarz
    Gery
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    Warum soll ich zu Fuss gehen, ich habe doch 4 gesunde Reifen.

  • Im PZ aber auch nicht. Die Plakette im Rahmen (waren bei Auslieferung 20“er drauf) sagt 2,3 Bar. Fahre aber seit km-Stand 3.900 19“er. Wird beständig ignoriert.


    Hinwiederum: Was soll‘s? Ich kontrolliere den Luftdruck eh nach jedem Servicetermin und bei jedem 2. Tanken. Solange da überhaupt Luft drin ist, reicht mir das.

  • Ich habe noch nie gesehen, dass beim Reifenhändler der Druck nochmals kontrolliert wurde, nachdem das Fahrzeug wieder auf allen Vieren steht.“

    Hab wohl das Glück in einer Fachfirma seit mehreren Jahren gelandet zu sein. Da sie wissen, dass ich auch gelegentlich auf der Rennstrecke bin, wird immer gefragt welcher Luftdruck gewünscht wird. Einfach kompetent und preislich o.k.

  • Ich kenne das auch. Bei meinem Mopped bin ich 300km gefahren, um beim Monteur meines Vertrauens die Einarmfelge neu zu bereifen. Bei meinem Porsche sind es fast 50 km hin und zurück, aber es lohnt sich. Man ärgert sich sonst viel länger...