Seit gut einem halben Jahr ist Deutschland ohne eine vom Parlament gewählte Regierung und wird nur geschäftsführend regiert.
Alle Versuche einer Regierungsbildung sind bisher kläglich gescheitert und die SPD zerfleischt sich derzeit an der Frage, ob sie erneut an einer GroKo mitwirkt - oder nicht.
Am Wochenende wird es nun dazu einen SPD-Parteitag geben, in welchem darüber abgestimmt werden soll.
Das ist der Auftakt des Showdowns der Regierungsbildung, von dem niemand weiß, wie dieser letztlich enden wird:
- Mit einer Fortsetzung der bisherigen Koalition unter Frau Merkel ?
- Mit einer Niederlage der SPD-Führung durch die eigenen Mitgliedern ?
- Mit einer Minderheitenregierung ?
- Oder mit Neuwahlen ?
So oder so - es wird eine Fortsetzung des bereits monatelangen Gerangels um eine neue Regierung geben, dessen die Bürger inzwischen mehrheitlich überdrüssig sind.
Aber sie sind es nicht nur des Themas, sondern auch der handelnden Personen, die seit Monaten in kaum noch nachzuvollziehenden Volten fast täglich ihre Meinung von gestern konterkarieren, relativieren und/oder wechseln. Und das mit überintellektualisierten Argumenten, Notlügen, Verdrehungen, Beschwichtigungen, Dramatisierungen, Befürchtungen und Meinungen, die selbst der jeweils größte Parteisympathisant gleich welcher Couleur, nicht mehr versteht. Die Motivation für dieses Verhalten ist vielfältig. Es geht um Machterhalt, das Aufbegehren gegen oder das kadavergehorsame Unterstützen der jeweiligen Parteiführung, Rechthaberei, Verunglimpfung des politischen Gegners, die Selbstdarstellung in den Medien und - oft strapaziert - angeblich, "um unser Land". Über allem schwebt das Ergebnis der jeweils aktuellen Umfragewerte - weniger der eigenen Partei - als die der AfD, welche mit ihrem Erscheinen die eigentliche Ursache für das Chaos der Altparteien darstellt. Die blanke Angst, dass sie bei Neuwahlen noch größer wird, bestimmt seit dem Wahlabend das Handeln und die Verzweiflung der Altparteien - und dies wird sich in der kommenden Legislaturperiode vorhersehbar fortsetzen - egal ob, wann und welche Regierung zustande kommt.
Es ist zu vermuten, dass in einer Art ´self-fulfilling prophecy´ die Werte der AfD gerade durch das Chaos in den Altparteien weiter zunehmen wird. Vor allem deshalb, weil sich bis heute die Protagonisten der bisherigen GroKo nicht öffentlich eingestehen, wieso es überhaupt diese Partei im Deutschen Bundestag in solch einer Stärke von fast 100 Sitzen gibt. Diese Partei ist nicht vom Himmel gefallen, wie ein unerwarteter Platzregen - sie ist fast ausschließlich die Reaktion der Wählerschaft auf den größten Fehler der bisherigen GroKo, bei dem BEIDE Koalitionäre in umschlungener Einigkeit sowohl in der Vergangenheit einerseits versagt haben, als auch andererseits bisher keine Einsicht gezeigt haben - jedenfalls nicht, durch verbale Bekenntnisse dazu. Und solange dieser Zustand anhält, wird es keine Erneuerungen der Parteien geben - jedenfalls keine, welche die AfD beseitigt und den regierenden Altparteien wieder zu früherer Stärke verhilft. Aber diese Zukunftsgedanken sind derzeit eigentlich sekundär.
Zunächst geht es darum, mit der aktuellen, politischen Situation fertig zu werden und eine Regierung zu bilden. Nach Lage der Dinge kann das zwar gelingen, wird aber zu einer schwachen Regierung führen, die nur auf tönernen Füßen stehen wird - so sie denn überhaupt zustande kommt. Oder aber, es gibt früher oder später Neuwahlen, bei denen wohl keiner der bisherigen Großkoalitionäre mit den gleichen Gesichtern auf den Wahlplakaten antreten kann, ohne sich restlos der Lächerlichkeit preiszugeben oder der Gefahr, sich dem Unterschreiten der 10% Grenze bei den Wahlen zu nähern. Diese Gefahr ist groß, denn eine Wahlbeteiligung von 75% wie beim letzten mal, wird es m.E. nach dem Fiasko der letzten Monate - und dem was noch vor uns liegt - vorhersehbar nicht mehr geben.
Warten wir es ab - es bleibt spannend.
Oder meint Ihr nicht?