Die Nordschleife, nein, das ist kein spezieller Knoten der Ostfriesen zum Festmachen der Ladung und schon gar nicht dazu da, Gemütlichkeit zu verbreiten.
Die Nordschleife, bekannt als ‚Schwarze Hölle’, als Ort der Wahrheit, als Teststrecke für Jeden, der meint, ein Auto etwas schneller als der Durchschnitt bewegen zu können, vor Allem bekannt geworden durch das 24-Stunden-Rennen.
Die Nordschleife, in der Eifel gelegen, 1927 gebaut, 20,8 km lang, 73 Kurven und bis zu 18 % Steigung. Trockene Daten für ein Vergnügen, das dem Otto Normalverbraucher schnell den Schweiß auf die Stirn treibt.
Wie sagt man immer? Ein Mann muss ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut und einen Baum gepflanzt haben. Fehlt da nicht etwas?
Wäre es übertrieben zu sagen …und einmal die Nordschleife gefahren sein?
Wenn ich dann Ersteres erledigt habe, dann ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, sich zu versuchen. Seine eigenen Qualitäten zu testen. Schnell stellt sich heraus, ob sie denn überhaupt vorhanden sind.
Tagtäglich zeigt sich, dass das Fahren auf der Strecke für den ungeübten User schnell zum Fiasko werden kann. Nirgends wird soviel Schrott produziert, wie auf der Nordschleife am Wochenende.
Ich bekam die Chance, das selbst einmal auszuprobieren, wobei ich es vermeiden wollte, selbst unter den Schrottern gelistet zu werden.
Am 2. Mai 2010 wurde der 1. Porsche Driver Day am Nürburgring vom PFF erfolgreich gestartet!
Ein Treffen der Porschefreunde am Nürburgring, das passt wie die bekannte Faust aufs Auge, jetzt einmal positiv betrachtet, denn Porsche hat auf dem Nürburgring sicher viele seiner größten Erfolge feiern können.
Porsche und der Nürburgring sind also untrennbar miteinander verbunden und so kann ich nur hoffen, dass mein Auto sich seiner Historie bewusst ist und mir keine Schande bereitet. Gut, das hast du wohl selbst in der Hand, wird er mir jetzt sagen wollen, mein Freund. Ich muss ihm Recht geben.
Ganz unvorbereitet war ich denn auch nicht. Diverse Fahrertrainings hier und da haben mir gezeigt, was ich kann, oder sagen wir besser, was ich nicht kann.
Gut, meine Urgene begründen sich nicht auf die Tradition einer Rennfahrerfamilie.
Walter Röhrl würde meine Fahrkünste bestenfalls als durchschnittlich bezeichnen, aber sich an ihm messen zu wollen wäre das Gleiche, als wenn sich ein Trabbi mit einem Porsche vergleichen wollte.
Vergleiche hinken, und zwar mächtig, wenn der Fahrer weiß, was er tut. Walter Röhrl (es mag sicher noch genügend andere gute Fahrer geben) würde mir in meinem Porsche noch mit einem Golf zeigen, wo die Musik spielt.
Aber lassen wir die Vergleiche einmal beiseite, sie frustrieren ein wenig.
Der Tag war gekommen. Im Teilnehmerpaket des PFF gab es die Nordschleife inklusive. Das Wetter war nicht ganz optimal, aber gut genug, um einen tollen Tag inmitten von Gleichgesinnten zu erleben. Porsche aus den verschiedensten Epochen waren anwesend, sogar ihre Besitzer waren dabei.
Nach diversen Begutachtungsgängen durch die Reihen der Fahrzeuge, dem Essenfassen, dem Prämieren der schönsten Porschefahrzeuge, kam irgendwann PFF-Team-Kollege Eddy auf mich zu mit der Frage, ob ich denn auch die Tour über die Nordschleife gebucht hätte und er einmal mitfahren dürfte.
Kein Problem, wenn er bereit sei, dem Tode ins Auge zu sehen, na ja, ganz so schlimm wird’s nicht werden, konnte ich noch begründend ergänzen.
Kurze Zeit später rollte mein Auto gemächlich Richtung Eingang Nordschleife.
Eddy gab mir zu Verstehen, kannst fahren wie du willst, ich bin ein geduldiger Beifahrer.
Beruhigend zu hören, denn der Ritt auf der Kanonenkugel muss ja nicht jedem Gefallen.
Wir rollen auf den ersten Kontrollposten zu, Fahrzeug hinter Fahrzeug, verschiedenste Marken und vor mir ein Peugeot 204. Mir geht durch den Kopf, wo ich ihn überhaupt Überholen soll, links oder rechts?
Er schießt ab, ich kurz danach, den Eintrittszettel noch in der Hand. In diesem Moment müssen sich eine Menge Fragezeichen über meinem Haupt gebildet haben, denn der Peugeot verschwindet vor mir hinter der nächsten Kurve, ohne dass ich auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, ihn einzuholen.
Eddy blickt mich fragend an, ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Mein Helm nimmt mir ziemlich die Sicht, aber ich sage jetzt nicht, er hätte Schuld gehabt.
Die ersten Kurven, ich kenne sie natürlich noch nicht, lassen meine Keramikbremsen noch kalt, aber es ist unglaublich, in welcher Schnelligkeit sie aufeinander folgen. Ich habe überhaupt keine Zeit, meine Geschwindigkeit zu beobachten, die Strecke fordert Alles. Beschleunigen, Bremsen, Einlenken, Bremsen, Beschleunigen, der Helm mit dem Steuerungssystem darin ist fast nicht zu halten.
Ich vertraue meinen Sportsitzen, sie geben bestens halt.
Der Porsche krallt sich in den Asphalt und hält perfekt die Spur. Mir geht mein erstes großes Fahrertraining in Leipzig durch den Kopf, der Rundkurs dort hatte mir schon alles abverlangt, aber hier?
Ich habe das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen und den Eindruck, das Auto fährt mit mir, aber ich nicht mit ihm.
Glücklicherweise folgen die Kurven so, wie ich sie intuitiv erwarte.
Meine Keramikbremsen bekommen zusehends mehr Arbeit.
Plötzlich werde ich von hinten angeblinkt. Ein wenig nach rechts gerückt rauscht etwas Unbekanntes an mir vorbei. Erst einige Meter vor mir erkenne ich das Auto, ein Honda Civic hat mich soeben abgeledert. Soll ich jetzt noch meinen Augen trauen, bin ich im falschen Film, oder was?
Es ist zwecklos. Krampfhaft versuche ich dranzubleiben, aber meine Chancen sinken mit jedem Meter Strecke, der Honda verschwindet hinter der nächsten Kurve.
Wenn mir jemand gerade beteuert hätte, uns ist gerade der heilige Skt. Blasius begegnet, ich hätte es geglaubt.
Die nächste Begegnung lässt nicht lange auf sich warten. Fleißig damit beschäftigt, die Ideallinie in der Linkskurve zu halten, rauschen einen Moment später einige Motorräder links an mir vorbei. Gut, die Begegnungen auf der Landstraße im Münsterland sind schon das eine oder andere Mal positiv für mich ausgegangen, aber hier scheinen nur Profis unterwegs zu sein.
Etwa die Hälfte der Strecke liegt hinter uns. Ich fühle mich schon nach diesen kläglichen 10 km sehr beansprucht. Der Gedanke, dass hier 24-Stunden-Rennen stattfinden, bestärkt mich in dem Gedanken, dass Autorennen ganz viel mit Leistungssport zu tun haben. Ein Freizeitspaß im eigentlichen Sinne ist das jedenfalls nicht.
Vor lauter Gedanken verliere ich den Blick für die Streckenführung und prompt fliege ich fast aus der Kurve, doch dank guter Bremsen geht alles noch einmal gut aus.
Ich fahre etwas verhaltener weiter. Die Strecke ist unglaublich vielseitig, die Landschaft fliegt vorbei, wenn man mich gefragt hätte, wie sie aussieht, ich hätte keine Antwort geben können. Glücklicherweise war die Strecke bis jetzt ziemlich trocken, doch vor mir glänzt der Asphalt verdächtig. Um nichts zu riskieren drossele ich etwas die Geschwindigkeit. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich in den nicht ganz so engen Kurven doch zwischen 70 und 100 km/h schnell bin und auf den kurzen Geraden mögen es dann auch 150 km/h gewesen sein.
Eine kurze Rechnung verdeutlicht, dass ein Profi, der die Nordschleife in etwa 8 Minuten bewältigt, etwa eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h erreichen muss. Leider hatte ich vergessen, mein Chronometer einzuschalten, so dass ich keinerlei Anhaltspunkt für die eigene Geschwindigkeit hatte.
Vielleicht waren es 10 oder 11 Minuten, die ich am Ende der Strecke zu verzeichnen hatte.
Wir fahren auf die letzte Gerade zu. Schilder signalisieren eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h.
Ich höre Eddy aufatmen. Ich danke meinem Auto für die problemlose Hatz durch die Grüne Hölle. Um eine Erfahrung reicher verlassen wir das Gelände wieder.
Ich bin vollkommen beeindruckt, aber sicher nicht von mir, sondern von meinem Auto, von der Strecke und denen, die diese Runde in einer 8 Minute-Zeit abspulen.
Der Porsche verzeiht so viele Fehler, dass es mir schon peinlich ist. Die Nordschleife ist materialraubend, höchst anspruchsvoll und vielseitig.
Auf ihr eine gute Zeit hinzulegen bedeutet fahrerisches Können, Vertrauen in das eigene Auto und auch Glück.
Nicht umsonst wird die Nordschleife als die schwierigste und anspruchsvollste Strecke der Welt betrachtet.
Seit meinem Besuch dort kann ich diese Einschätzung voll und ganz teilen. Vielleicht komme ich wieder, aber dann mit noch mehr Erfahrung, wie ich die allerdings jetzt noch erreichen kann, das weiß ich jetzt nicht.