(Achtung: Ich habe es nicht geschafft mich kurz zu fassen!)
Hallo liebe Porsche Freunde,
ich möchte an dieser Stelle mal meine Erfahrungen vom letzten Wochenende berichten, als ich zum ersten mal mit meinem Boxster auf die Rennstrecke gegangen bin.
Ich kam mit meiner Freundin gerde aus Köln (wo wir meinen Jugendfreund verheiratet hatten) und auf dem Weg nach München kamen wir an der Ausfahrt Hockenheim vorbei. Wir hatten Zeit und so entschlossen wir uns, die Abfahrt zu nehmen.
Genauer gesagt war ich etwas unsicher, aber meine wunderbare Freundin überzeugte mich, dass es eine gute Idee sei. (das Hauptthema des Wochenendes kann ich mir also sehr gut auch für uns zwei vorstellen...)
Wir kamen also im Fahrerlager an und da wir ja, wie gesagt von einer Hochzeit kamen, waren wir natürlich genau passend angezogen und fielen überhaupt nicht auf...
Beste Voraussetzungen also!
Ich liess mich nun erstmal von den sehr lauten Motorgeräuschen und Reifenquietschen aus Richtung Motodrom mächtig beeindrucken.
Aber wiederrum liess ich mich gerne überzeugen, dass es eine gute Idee wäre.
Also Richtung Boxengasse, die 12,- Euronen bezahlt und hinter den ganzen Verrückten eingereiht.
Wir hatten nun erstmals Zeit sich anzuschauen, was die anderen da so mitgebracht haben. Und ganz ehrlich, mir kam es echt so vor, als hätte ich ein Messer zur Schiesserei mitgebracht.
Nicht, dass mein Wagen langsam wäre (im normalen Strassenverkehr ist ein 2,5l Boxster imho ein ernster Gegner), aber was da so vor und hinter uns stand, liess meine Knie doch etwas weich werden.
Spontan erinnere ich mich an einen GT3, 993turbo, ein echt schöner Lotus Esprit, ein paar amerikanische Muscle cars, aufgeladene Audis und vieles mehr.
Oft mit Überrollkäfig, Sportreifen und sowieso fast jede Kiste war irgendwie gefummelt.
Oh je...
Und die Fahrer: Alle mit diesem 100Yard-Blick, jeder einzelne Kampf erfahren, mit Helm bewaffnet und gehärtet durch viele geschlagene Ringschlachten.
Just in dem Moment, wo wieder so nen paar Pisten-Piraten an uns vorbei gingen und uns anschauten, als hätten sie Messer zwischen den Zähnen und Nitro im Blut, fiel mir ein, dass wir nach wie vor absolut adäquat angezogen waren.
Ich wurde immer kleiner hinter dem Steuer...
Meine Freundin hingegen freute sich immer mehr auf das was kommen sollte (sagte ich schon, dass ich sie liebe?).
Dann fiel mir ein, dass sie mir zu Weihnachten ein paar wirklich schöne Porsche-Altherren-Rennfahrer-Handschuhe geschenkt hatte.
Ha! Na also, hatten wir also doch noch ein Ass im Ärmel!
Also schnell die Handschuhe angezogen... sieht doch gleich viel professioneller aus und solange wir sitzen, sieht eh keiner die Lackschuhe!
Ich fühlte mich gerüstet.
Meine Süsse las mir noch ein paar ermutigende Zeilen von der Eintrittskarte vor (z.B. "wenn sie sterben, werden wir nicht dafür haften" oder so ähnlich...)
wir warten immer noch darauf, dass die Power Rangers auf ihren Motorrädern die Strecke frei machen...
... und dann gingen die Motoren an! WOW! was für eine Stimmung...
Also mach ich meinen auch an... ich hör nix... wo ist mein Motor?
Drehzahlmesser sagt, der Motor läuft, hmm...!
Na gut, schon alleine der turbo weiter vorne reicht aus um ein Rockkonzert wie nen Knabenchor aussehen (hören) zu lassen.
Also finde ich mich damit ab, dass mein kleiner Boxermotor hier im stehen nix zu melden hat.
Die Stimmung im Auto jetzt kann man beschreiben wie auf dem Flugzeugträger - ready for take off!
Einfach spitze! Zuletzt hatte ich ein ähnliches Gefühl, kurz vor dem Bungee-springen!
Langsam setzt sich der Tross in Bewegung, Richtung Ende Boxengasse, ich bin jetzt zu konzentriert um nervös zu sein...
Dann sind wir auf der Strecke und es heisst: FEUER FREI!!
Ich latsche voll drauf und bin eigentlich ganz angetan, noch hat sich nicht jeder komplett von mir entfernt.
Endlich höre ich auch meinen Motor wieder! Schön klingt er da, direkt von hinten!
Ich kloppe die Gänge durch und schon steht die erste Bremsung zum Eingang Querspange an.
Schön mit Zwischengas die Gänge runtergeprügelt, darauf achten, dass mich keiner erwischt (und ich auch keinen)! Durch die Haarnadel durch und wieder volles Rohr. Das Feld zieht sich hier allmählich auseinandener.
Weiter beschleunigt, langezogene Linkskurve durcheilt und schon fliegt man auf den Ausgang Querspange zu.
Wo zum Geier muss man hier bremsen? Die Strecke ist sooo breit und irgendwo dahinten ist ne Kurve, wie schnell bin ich?
Ach egal, ich orientier mich an meinem Vordermann und schau, dass ich mich nicht allzu blöd anstelle.
Also ab durch den Ausgang Querspange und schnell wieder an Tempo zulegen.
Wir ballern durch die nächste Kombination und sind in schnellen Schritten unterwegs Richtung Motodrom.
Ordentlich über die Kurbs geräubert und Richtung Kurvenausgang treiben lassen.
Wieder schön mit Zwischengas auf die nächste Kurve zu (ist das schon die Sachskurve? egal!).
Noch zweieinhalb Kurven und die erste Runde ist rum.
Im vollen Renntrim über die Ziellinie und ab in die nächste Runde.
Zeit für eine kurze Zwischenbilanz:
Man merkt jetzt schon, dass die Temperatur aller Komponenten deutlich hoch geht!
Reifen, Bremsen, Kühlwasser alles ist wärmer als normal um nicht zu sagen heiss.
Aber jetzt wo ich den Eingang Querspange zum zweiten mal anbremse merke ich warum ein Porsche nicht ganz billig ist. Denn trotz der erhöhten Temperaturen lässt keine einzige Komponente in ihrer Funktion nach. Bremsleistung, Motorleistung, Grip... alles prima. Das Pedalgefühl ist etwas weicher, aber die Wirkung unvermindert!
Inzwischen habe ich auch meinen Platz im Fahrerfeld gefunden und meine Position hängt nun davon ab, wie sehr ich das Material endgültig belasten will.
Da wir noch nach München müssen, will ich es mal nicht übertreiben.
So nutze ich die Geraden dazu, alles etwas abkühlen zu lassen (was nicht heisst, dass ich schleiche) und auch beim bremsen geh ich nicht auf die letzte Rille, ich versuche jetzt einfach eine flüssige Fahrweise zu finden, die konstante Rundenzeiten hervorbringen sollte.
Allmählich schiesse ich mich auf die Strecke ein und nehme die Kurven mit grösserem Mut. Gerade der Eingang zum Motodrom und das was darauf folgt, macht mächtig Laune und ich bin mit meinen Kurvengeschwindigkeiten recht zufrieden.
Nach etwa 15min bin ich von der Strecke runter. Das dicke Grinsen gepaart mit grosser Faszination war tief in mir verankert. Mein Baby war auch sehr zufrieden und hatte sichtlich ihren Spass!
Aber heiss war nicht nur dem Auto, sondern vor allem mir! Ich könnte das jetzt auf meine Beifahrerin schieben... aber um ehrlich zu sein, ich habe geschwitzt wie ein Schwein! Diese Rennerei artet echt in Arbeit aus (die pralle Sonne tat ihr übriges).
Was kann man also abschliessend sagen?
Zunächst zum Auto: Der Boxster ein Mädchenporsche? Definitiv NEIN! Der sound ist im Renntrimm richtig geil, die Fahrleistungen sind nicht zu verachten und das Fahrwerk, die Lenkung und die Bremsen sind absolut state of the art.
Das Fahrverhalten im Grenzbereich ist.. sagen wir konziliant. Man sollte besser wissen, was man tut, denn die Untersteuerneigung ist gleich null (zumindest in meinem Wagen). Das Verhalten ist manchmal etwas zickig und verlangt nach raschen Reaktionen am Volant.
Was fehlt ist ein Sperrdiff, denn ein inneres rauchendes rad in den engen Kurven ist nicht nur uncool, langsam ist es auch.
Aber mit welcher Präzision man auch in hohem Tempo seine Linien ziehen kann, ist absolut fantastisch! Ich bin schon viele andere Autos gefahren, aber diese Präzision sucht seinesgleichen!
Na klar, im Vergleich zu den Raketen, die so manch anderer an die Strecke gebracht hat, zieht man hiermit nicht die Butter vom Brot, aber mir fehlen noch die Mittel um 100.000 Euros in ein Renngerät zu investieren.
Ich denke, wenn ich etwas mehr Streckenkenntnis und weniger Mitgefühl für das Auto mitbringe, kann man mit dem Wagen ernsthaft Kreise um so manchen BMW oder ähnliches ziehen.
Also auch hier das Fazit: Wer den Boxster wie nen Porsche bewegt, der wird entsprechend belohnt und wird nicht mehr sagen, es wäre kein echter Porsche! Wer ihn wie einen Mercedes fahren will, (niedrige Drehzahlen, schaltfaul und das Lenkrad wie ein Bulle in die dicken Pratzen nehmen), der sollte vielleicht doch in eine andere Marke einsteigen, denn der versteht den Wagen und die Marke falsch!
Fazit bezüglich des Erlebnisses: Einen Riesenspass hat's gemacht! Es ist einfach irre, wenn man aus ca. 220km/h in die Eisen geht um eine Haarnadel mit ca. 50km/h zu erwischen. Hier den Bremspunkt nach hinten zu verlegen, bedarf einiges an Mut und Können und man wird es immer wieder aufs neue versuchen (bis mal was schief geht...)
Man muss es ja nicht übertreiben, aber ich kann jedem nur empfehlen es einfach mal auszuprobieren. Anfangs muss man sich erstmal daran gewöhnen, dass tatsächlich andere Autofahrer an einem vorbeifliegen. Wenn ich es eilig habe, ist normalerweise keiner schneller als ich und selbst wenn, dann sicher nicht soooo viel schneller. Aber wenn man von einem turbo-Porsche im vollen Renntrim überholt wird, sollte man sich zivilisiert und vorhersehbar verhalten!
Also liebe Freunde der schnellen Fahrkultur: Wer es schon mal gemacht hat wird mir zustimmen: Geht mit dem Porsche mal auf die Strecke! Das Gefühl danach (und währenddessen) macht die paar Millimeter Reifenprofil locker wieder wett.
Und an alle, die nicht das Glück haben eine Partnerin zu haben, die einem den Mut macht, den man angesichts der akustischen und optischen Präsenz diverser Hardcore-Sportler braucht: Lasst euch nicht einschüchtern! Mit nem Porsche zur Rennstrecke ist eine gute Idee und so fies wie man am Anfang denkt, sind die bösen turbo- und Gt3-Fahrer auch wieder nicht!
Ich hoffe es hat zum lesen ähnlich viel Spass gemacht wie mir das schreiben!
Viele Grüße
Andy